
Der Fall Bearshare, der BGH und die Abmahnindustrie
Mit einer recht deutlichen und sicher nicht mehr misszuverstehenden Aussage hat der Bundesgerichtshof nunmehr seine Entscheidung vom 08.01.2014 zum Fall “Bearshare” im Volltext veröffentlicht. Die Entscheidung des BGH überrascht vor allem wegen der Deutlichkeit und lässt vermuten, dass nicht nur der für Laien kaum nachvollziehbaren und teils abwegig anmutenden Rechtsprechung vieler unterinstanzlicher Gerichte zur Störerhaftung ein Riegel vorgeschoben werden sollte, sondern auch der ausufernden Abmahnindustrie der Wind aus den Segeln genommen werden soll.
Bereits die Leitsätze der Entscheidung legen die Maßstäbe zur Haftung für zukünftige Verfahren fest:
a) Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer auf Unterlassung, wenn volljährige Familienangehörige den ihnen zur Nutzung überlassenen
Anschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch hat, muss er die zur
Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen.
b) Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet,
wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss
zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (Anschluss an BGH, Urteil
vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 – Sommer unseres Lebens; Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799
– Morpheus).
c) Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, trägt der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast. Dieser entspricht er dadurch, dass
er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der
Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (Fortführung von BGH,
Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 – Sommer unseres Lebens; Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799
– Morpheus).
Schon die vieldiskutierte Ausgangsentscheidung des BGH “Sommer unseres Lebens” wurde damit durch die meisten Gerichte offensichtlich falsch verstanden und diente der gesamten Abmahnindustrie als Steilvorlage. Bei genauerer Betrachtung konnte man aber schon damals der Entscheidung des BGH aus 2010 entnehmen, dass der Anscheinsbeweis der Täterschaft des Anschlussinhabers nur dann besteht, wenn der Anschlussinhaber der alleinige Bewohner ist. Der BGH präzisiert jetzt diesen elementaren Aspekt.
Es bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung Eingang in aktuelle Urteile findet.
Die Leitsatzentscheidung “Bearshare”im Volltext: BGH, Urteil vom 08.01.2014 I ZR 169/12