Erbkrankheiten und das Wissen darum

Weil ein Oberarzt einer Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie einer Mutter die Information über eine bei ihrem geschiedenen Ehemann festgestellte Erbkrankheit erteilt hat und sie dadurch selbst psychisch erkrankte, nimmt diese ihn auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Kurz nachdem die Klägerin von ihrem Mann geschieden wurde, stellte man bei diesem fest, dass er an Chorea Huntington, einer unheilbaren, vererblichen und zum Tode führenden Erkrankung des Gehirns, leidet. Der behandelnde Oberarzt teilte der Klägerin dies in einem kurz darauf, von ihm erbetenen Gespräch mit Zustimmung des geschiedenen Ehemannes, mit und wies sie darauf hin, dass die – zu diesem Zeitpunkt 12 und 16 Jahre alten – gemeinsamen Kinder die genetische Anlage der Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% geerbt hätten. Die Klägerin fand zunächst keine Einrichtung, die zu einer gentechnischen Untersuchung ihrer Kinder bereit war. Eine Diplombiologin und Fachärztin für Humangenetik teilte ihr mit, dass es nach dem Gendiagnostikgesetz nicht gestattet sei, eine prädiktive Diagnostik bei noch nicht symptomatischen Minderjährigen oder bei Personen, die nicht selbst nach entsprechender humangenetischer Beratung und ausreichender Bedenkzeit in die Untersuchung eingewilligt hätten, durchzuführen. Die Klägerin ist seit dem wegen reaktiver Depression dauerhaft krankgeschrieben und nicht in der Lage, einer Erwerbsfähigkeit nachzugehen.

Der BGH hat mit Urteil vom 20.05.2014, VI ZR 381/13 entschieden, dass es nicht Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB ist, einen sorgeberechtigten Elternteil vor den psychischen Belastungen zu bewahren, die damit verbunden sind, dass er von einer genetisch bedingten Erkrankung des anderen Elternteils und von dem daraus resultierenden Risiko erfährt, dass auch die gemeinsamen Kinder Träger der Krankheit sein könnten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet zwar ein den Einzelnen schützendes “Recht auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung”, ohne seinen Willen Kenntnis über ihn betreffende genetische Informationen zu erhalten. Dieses schütze aber nicht den Sorgeberechtigten davor, notwendige Informationen über mögliche Erkrankungen seiner Kinder zu erhalten. Der BGH verneinte eine Haftung des Arztes wegen der Information der Mutter über das Risiko der Erbkrankheit ihrer Kinder. Eher sei sogar von einer Informationspflicht auszugehen.