Über die Macht des Versammlungsleiters und den Schutz des Minderheitsgesellschafters

Mit Urteil vom 22.01.2016 hat das OLG Hamburg, Az.: 11 U 287/14, entschieden (Leitsätze des Gerichts):

  1. Das Selbsthilferecht des Minderheitengesellschafters einer GmbH nach § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbH ist erst dann verbraucht, wenn in einer beschlussfähigen Versammlung die Tagesordnung erledigt werden konnte.
  2. Der Versammlungsleiter einer GmbH-Gesellschafterversammlung hat nicht die Kompetenz, die Versammlung abzubrechen. Ein kompetenzwidriger Abbruch führt nicht zur Beendigung der Versammlung.
  3. Gesellschaftern, die den Versammlungsort im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Abbruchs ver-lassen haben, kann im Hinblick auf danach gefasste Beschlüsse des Minderheitengesellschafters ein Anfechtungsrecht zustehen. Die Ausübung dieses Anfechtungsrechts ist jedoch treuwidrig, wenn es den Gesellschaftern im Zusammenwirken mit dem Versammlungsleiter allein darauf ankam, eine Beschlussfassung über die Anträge des Minderheitengesellschafters zu verhindern.

Praxishinweis:

Eine im Gesellschaftsrecht konsequente Entscheidung, die oft ihresgleichen sucht. Denn die formal starke Stellung der Mehrheit sowie des Versammlungsleiters und seiner Kompetenzen dominieren die Praxis. Insbesondere die Aufgaben und die Rolle des Versammlungsleiters spielen im Rahmen einer Gesellschafterversammlung eine zentrale Rolle. Neben der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs der Versammlung, kommt dem Versammlungsleiter einer GmbH-Gesellschafterversammlung Beschlussfeststellungskompetenz zu. Die Feststellung hat für den Beschluss konstitutive Bedeutung. Vorbehaltlich einer erfolgreichen Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gilt der Beschlussinhalt nach Feststellung als (vorläufig) verbindlich, so dass der festgestellte Beschlussinhalt erst durch richterliches Gestaltungsurteil wieder aus der Welt geschafft werden kann.