Recht auf ein faires Verfahren im OWI-Bereich

Das Bundesverfassungsgericht entschied am 12.11.2020, dass Betroffene eines Bußgeldverfahrens auch Rohmessdaten der betreffenden Messgeräte einsehen dürfen. Ansonsten sei das Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

Das Gericht gab damit einer Verfassungsbeschwerde statt, die den Zugang zu Informationen im Bußgeldverfahren betraf, die nicht Teil der Bußgeldakte waren. 

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 30 km/h zu einer Geldbuße verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Der Betroffene hatte im Bußgeldverfahren unter anderem die Lebensakte des verwendeten Messgeräts, den Eichschein und die sogenannten Rohmessdaten einsehen wollen, die nicht in der Bußgeldakte waren. 

Die Behörde, das Amtsgericht sowie auch später das Oberlandesgericht verwehrten dies. Das AG hatte argumentiert, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem zum Einsatz gekommenen Messgerät um ein sogenanntes standardisiertes Messeverfahren handele. Die Richtigkeit der Messung sei damit indiziert, so das AG. Auch das OLG verwarf die Rechtsbeschwerde.

Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass die Entscheidungen dem Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt haben.

Bei standardisierten Messverfahren seien die Feststellungs- und Darlegungspflichten des Tatgerichts im Regelfall reduziert. Es müsse zwar nicht jedes Mal “anlasslos die technische Richtigkeit einer Messung jeweils neu überprüft werden”. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergebe sich aber, dass Betroffene Informationen der Bußgeldbehörde, die nicht Teil der Akte sind, überprüfen dürfen. “Dieses Recht auf Informationszugang gelte nicht unbegrenzt. Um eine uferlose Ausforschung und Verfahrensverzögerungen zu verhindern, müssten die begehrten Informationen daher zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Entscheidend sei, ob der Betroffene eine Information verständiger Weise für die Beurteilung des Vorwurfs für bedeutsam halten dürfe. Finden Betroffene indes konkrete Anhaltspunkte auf ein fehlerhaftes Messergebnis, müssen die Gerichte – gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen – entscheiden, ob dennoch ein Verstoß vorliegt”

 

Beschluss vom 12.11.2020 2 BvR 1616/18